Schweigeminute – eine Stadt hält inne

Verwaltung, Polizei und Schulen gedenken der Opfer von Paris. Muslimische Gemeinde sehr betroffen. Mailkontakt zu Partnerstädten.

Von Laura Beemelmanns

Stolberg. Ganz Europa verstummte am gestrigen Montag. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union riefen jeden einzelnen EU-Bürger zu einer Schweigeminute auf. Um zwölf Uhr schwiegen Menschen auf dem gesamten Kontinent; standen Bahnen still; blieben Telefone stumm. Und auch in der Kupferstadt wurde der Pariser Terror-Opfer von Freitag gedacht.

Die Feuerwehr änderte bereits am Samstag das Profilbild auf ihrer Facebook-Seite. Die Farben Gelb und Rot unter dem Feuerwehr-Schriftzug wichen Schwarz und Grau. Eine Schweigeminute sei laut Sprecher Michael Konrads jedoch nicht geplant gewesen. Auf Anordnung des Ministeriums haben sie allerdings vor der Wache die Stadtflagge und eine französische Flagge auf Halbmast gehisst. Und auf dem Polizeirevier in der Mauerstraße schwiegen die Beamten – soweit es möglich war.

„Seite an Seite“

Die Stadtverwaltung hatte laut Stadtsprecher Robert Walz ebenfalls angeregt, dass sich jeder im Rathaus an der Schweigeminute beteiligt. „Eine Dienstverordnung gibt es allerdings nicht“, sagte Walz. Und auch vor dem Rathaus wurden eine französische und eine deutsche Flagge auf Halbmast gehisst.

Zudem stehe die Stadt bereits mit den französischen Partnerstädten Valognes und Faches-Thumesnil in Kontakt. „Es gehen Briefe an die Bürgermeister beider Städte raus“, sagte Walz. Darin geschrieben stehe unter anderem, dass es auch ein Anschlag auf uns als Europäer sei und dass die Stolberger in Gedanken bei ihren Partnerstädten seien. „Wir stehen Seite an Seite“, sagte Walz.

Bürgermeister Tim Grüttemeier fügte hinzu: „In tiefer Anteilnahme sind unsere Gedanken in diesen Tagen der Trauer bei unseren französischen Freunden, die zum wiederholten Male in diesem Jahr Opfer von Gewalt und Terror geworden sind. Es ist schwer, angesichts dieser Aggression die richtigen Worte zu finden. Doch ich bin der festen Überzeugung, dass wir Europäer dem Hass und der Verblendung der Attentäter unsere Grundwerte von Freiheit, Toleranz und Solidarität entgegenhalten müssen. Diese Grundwerte machen uns verletzlich. Diese Grundwerte machen uns stark. Ich wünsche allen Franzosen, vor allem den Menschen in Paris und unseren Partnerstädten Faches-Thumesnil und Valognes, Kraft und Stärke in diesen schweren Zeiten. Als überzeugte Europäer stehen wir an ihrer Seite. “

Erol Kilic, Erster Vorsitzender der türkisch-islamischen Gemeinde Ditib, ist ebenfalls tief getroffen. „Was dort passiert ist, ist schlimm. Alle Arten von Gewalt und Terrorismus sind nicht akzeptabel. Und das hat auch nichts mit dem jeweiligen Glauben zu tun“, sagte Kilic. Niemand dürfe wegen seines Glaubens oder Lebensstils angegriffen werden. Kilic betonte: „Der Islam ist dagegen. Es steht geschrieben, dass niemand einen Menschen töten darf. Das, was dort unter dem Namen ,Islamischer Staat‘ passiert, hat nichts mit dem Islam zu tun. Wir haben alle das gleiche Ziel – wir sind gegen den Terror“, sagte er. „Wir brauchen die Unterstützung unserer deutschen Nachbarn. In den Moscheen wollen wir die Jugendlichen zu guten Muslimen erziehen. Denn wir Muslime werden oft als Terroristen angesehen. Das ist nicht so und das tut doppelt weh“, sagte er.

In diesen Tagen gingen und gehen zudem immer noch sehr viele E-Mails in Richtung Frankreich. Auch Stefan Schmitz, Vorsitzender des Partnerschaftskomitees Stolberg-Valognes, steht in intensivem Kontakt mit André Aze, seinem französischen Pendant. „Wir hatten auch vor dem Anschlag schon Kontakt. Denn wir wünschten uns für das Länderspiel gegenseitig einen guten Verlauf“, sagte Schmitz. Per E-Mail versuchten sie dabei, einen Termin für das Treffen zum 25-jährigen Bestehen der Partnerschaft in Valognes zu finden. Am 3. Oktober feierten die Partnerstädte in Stolberg. Aber auch in Valognes soll es noch einen Festtag geben. „Geplant war ein Wochenende der Tour de France. Das haben wir nun aber verschoben“, sagte Schmitz. „Das ist alles sehr traurig. Wir haben den Franzosen unser Mitgefühl ausgesprochen und gesagt, dass die Flaggen auch in unserer Stadt auf Halbmast gehisst sind. Sie nehmen die Anteilnahme aus Deutschland sehr positiv auf“, sagte Schmitz.

Gespräche mit Schülern

Der Schweigeminute schlossen sich auch einige Stolberger Schulen an. In der Propst-Grüber-Schule nahmen alle Schüler daran teil. „Wir werden das auch stufenweise in einer Schulstunde thematisieren“, sagte der kommissarische Schulleiter Christoph Dickeler. In der Städtischen Realschule I gab es auch eine Schweigeminute zum Gedenken der Opfer. „Je nach Bedarf der Schüler sprechen wir auch über die Geschehnisse von Freitag“, sagte Schulleiterin Silvia Müller-Gröls. Beim Goethe-Gymnasium gab es laut Schulleiter Bernd Decker keine Schweigeminute. Die Ereignisse wurden allerdings in den Klassen besprochen.

In der Städtischen Gesamtschule fand gestern eine ganztägige pädagogische Konferenz der Lehrerschaft statt. Daher waren keine Schüler vor Ort. „Wären die Schüler an diesem Tag hier gewesen, hätten wir die Schweigeminute auch mit ihnen gemeinsam eingelegt“, sagte Schulleiter Helge Pipoh. Doch auch die Lehrer schwiegen um Punkt zwölf Uhr. „Wir werden die Thematik heute auch im Unterricht ansprechen, wenn die Schüler wieder da sind“, sagte Pipoh. In der KGS in Atsch wurde ebenfalls eine Minute lang an die Opfer des Terrors gedacht. Allerdings nur in den beiden vierten Klassen.

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